Betritt man das Antiquariat Bücherwurm im Knooper Weg, betritt man eine Welt voller Überraschungen und Geschichten mit Geschichte. Fernab von Bestsellerlisten und Neuerscheinungen, geht es hier vor allem ums Stöbern, Blättern und Entdecken. Denn hier weiß niemand nie so ganz genau, was ihn erwartet – weder die Besucher noch der Besitzer selbst. Stundenlang könnte ich hier abtauchen und lesenlesenlesen.
Kalle sagt dann immer zu mir: „Voll öde!“
Und Wampe: „Ey Krakauer, Du bist doch noch nicht mal hundert Jahre alt – was willst Du denn bloß zwischen all dem Staub? Gibts da wenigstens Bücher über Schokolade?“
„Naja“, sage ich, „mit Glück findest Du da auch nen Buch über Schokolade. Schließlich wurden und werden auf dieser Erde Bücher über alles Erdenkliche geschrieben –Bohnen, Kakaobohnen, Kakaobohnenbäume, Kakaobohnenbäumebesitzer,… – und alles, was je geschrieben und verlegt wurde, kann auch in einem Antiquariat landen.“
Den Kieler Bücherwurm gibt es bereits seit 30 Jahren. Bücher können zwar nicht wachsen, aber mehr wurden sie trotzdem ständig, deswegen zog Ladengründer Rüdiger Braatz 1997 von der Holtenauer in die heutigen Räume. An seiner Aufgabe gewachsen ist wiederum Christoph Bünger, vor fünf Jahren ist er in den Familienbetrieb eingestiegen und hat ihn Ende 2014 von seinem Mentor und Großcousin übernommen.
Nun gehört dem jungen Quereinsteiger das Antiquariat, das bis unter die Decke voll ist mit bunten Blätterwäldern und hochgestapelten Bücherbergen zu allen Themen und aus allen Genres. Einige dieser Bücher stammen aus der Zeit, als der Buchdruck gerade erst so richtig begann, also so aus dem 16. Jahrhundert. Eines dieser ganz besonders alten Schinken war ein siebensprachiges und zehn Kilo schweres Lexikon aus dem Jahr 1537 – ist das nicht abgefahren?
Öde ist es hier übrigens ganz und gar nicht, es gibt sogar super viele Kinderbücher. Und Kinderbücher sind ja manchmal der Beginn vieler anderer Geschichten – der eigenen zum Beispiel. Ich liebe Kinderbücher, nicht nur weil ich die angesehene Kinder-Kultur-Krake von Kiel am Nil bin, sondern weil Kinderbücher wie kleine Schatzkisten mit doppeltem Boden sind: Neben den tollen Reimen und Geschichten gibt es meist auch noch wunderhübsche Bilder und liebevolle Illustrationen. Man kann mit ihnen ins Weltall reisen, Berge erklimmen, Bösewichte besiegen, supermegaschlau werden, Reime reimen, Lieder lernen, bunte Bilder bestaunen, Buchstaben lernen, wundervolle Wörter sammeln und sich in ferne Länder träumen. Wenn ich ein neues oder neues-altes Buch bekomme, verziehe ich mich in meine selbstgebaute Unterwasserhöhle und lese bis zum letzten Buchstaben. Das macht mich seeungeheuer-riesig glücklich.
Kinderbücher waren vermutlich auch für Christoph Bünger irgendwann mal der Anfang zu seiner Bücherliebe, ein winziger Grundstein für sein Leben voller Lesen. Als er selbst noch nicht lesen konnte, bekam er vorgelesen. Am liebsten mochte er „Malwine in der Badewanne“ von Steven Kellogg und „Ein Käfer wie ich“ von Erwin Moser. Als Christoph dann das ABC drauf hatte, fieberte er mit den gruselig-spannenden Geschichten von Stephen King. Damals hat er wohl kaum geahnt, irgendwann mal nicht nur Hüter einiger Stephen King Bände, sondern König von pi-mal-daumen 50.000 Büchern zu sein. Das sind ungefähr 49.950 mehr als ich habe!
Oder anders ausgedrückt: Das sind ganz schön enorm viele. So viele sogar, dass sie längst nicht mehr alle in den Hauptladen passen, sondern auch noch in der Fundgrube links nebenan verborgen, gereiht, gepflegt und gehütet werden. Die Bücher findet er oder wird von ihnen gefunden, er kauft sie, oder bekommt sie geschenkt. „Oft kommen Menschen rein, mit einer Supermarkttüte voller Bücher oder zig Umzugskartons. Ich weiß nie, was mich erwartet. Und mein Sortiment ändert sich quasi täglich. Die einen gehen, andere kommen.“, erzählt Christoph von seinen Wanderbüchern. Auch auf welche Menschen er trifft, weiß er nie so genau. Nur, dass es manchmal auch etwas bewegend sein kann, dass weiß er mittlerweile. Denn von Büchern trennen sich einige nur schweren Herzens. „Eine Dame hat zwei Jahre des Überlegens gebraucht, um die Bücher ihres verstorbenen Mannes abzugeben…“
Ganz schön verständlich. Manche Bücher haben ihre Besitzer schließlich ihr Leben lang begleitet: wurden vom ersten Taschengeld oder Lohn gekauft, zum Geburtstag geschenkt oder auf einem Flohmarkt gefunden, wurden zig mal in Kisten verstaut und Treppenhäuser hoch und runter geschleppt, sind von der Studentenbude mit in die erste richtige Wohnung, von dieser ins eigene Haus gezogen, haben den Menschen stabil und verlässlich ihre bunten Rücken gezeigt, sie treu umgeben, wurden sorgfältig abgestaubt, immer mal wieder umsortiert nach Genres, Titeln, Autoren, Farben…. Sie haben für Erhellung gesorgt, für Staunen, Tränen, Schmunzeln und lautes Lachen. Und dann kommt für einige, vor allem ältere Menschen, der Punkt, sich von dem Bücherbergen zu trennen. Dann wenn Bücher irgendwie zu Ballast werden.
Das besonders tolle an gebrauchten und antiquarischen Büchern ist, dass mindestens ein anderer Mensch bereits darin gelesen oder zumindest die Seiten durchblättert hat. Und so bergen gebrauchte Bücher neben der eigentlichen Geschichte auch immer eine zweite, manchmal vielleicht sogar geheimnisvolle in sich. Vielleicht standen sie zuletzt im Bücherregal eines voll berühmten Menschen, vielleicht sind sie schon um die Welt gereist, viele haben sogar Kriege überstanden, wurden mit verschiedenen Währungen bezahlt… Was auch immer es war, aber es macht diese Bücher noch besondererererererererererererer.
Ich werde übrigens auch irgendwann mal ein Buch schreiben. Ein Buch mit dem allerallerlängsten Wort der Welt darin. Und nur diesem. Wenn ich dann mal Kraken-Opa bin, werden sich die besten Sammler aller Welt darum reißen – vielleicht ja auch im Kieler Bücherwurm.
OH! ALLE MAL DURCHLESEN:
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Antiquariat Bücherwurm
Inh. Christoph Bünger
Knooper Weg 28
24103 Kiel
Tel: 0431/96925
www.buecherwurm-kiel.de
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr
Samstag 10 bis 13:30 Uhr