Mindestens hundertachtunddreißig Mal bin ich schon über das Kieler Seehundbecken geflogen und mindestens genauso oft habe ich mich heimlich am Becken zwischen all die neugierigen Kinder gedrängelt – was als Rabe nicht immer so einfach ist. Heute aber darf ich dem Mini-Meer auf den Grund gehen und nicht nur bei der Fütterung gefiedergefährlich nah dabei sein, sondern auch mit einem Seehund höchstpersönlich plaudern.
Das Seehundbecken ist Teil des Aquariums am GEOMAR Forschungszentrum. Im Aquarium wohnen viele lustig aussehende Meerestiere – die größten aber wohnen draußen direkt an der Kiellinie: Die Seehunddamen Sally (4), Krümel (15) und Luna (4) sowie der Bulle Kielius (21). Aber ich frage mich, wo ich jetzt meine vielen Fragen fragen kann? Ach da! Hinter dem Planschbecken steht ein sehr großer, weißer Kasten. Dort steht Aquarium drauf und da husch ich jetzt rein – der Seehund winkt schon ganz aufgeregt.
Hallo, ich bin Ruby und Du?
Ich bin Luna.
Was ich ja schon immer mal wissen wollte: Wie machst Du das eigentlich, wenn die Kieler Woche ist. Feierst Du dann mit oder packst Du Dir so wie ich Watte in die Ohren?
Tagsüber bin ich gerne mal beim Feiern dabei und abends verziehe ich mich dann in meinen Ruhestall. Dort lege ich mich dann auf meine Liegefläche und schlaf ne ordentliche Runde.
Apropos Lärm und Ohren! Hast Du überhaupt Ohren?
Jaaaa! Klar habe ich OHREN! Die siehst Du zwar nicht, aber ich höre ganz wunderbar.
Achso! Dann brauch ich ja nicht mehr schreien. Du hast so schöne glänzende Knopfaugen – wie gut siehst Du damit?
Unterwasser voll gut. Aber Überwasser bin ich eher kurzsichtig, da sehe ich meine Pfleger immer etwas verschwommen. Denn meine Augen sind ja für Unterwasser gemacht!
Und wenn ich hinter der Scheibe stehe, siehst Du mich dann überhaupt?
Ja das kann ich, aber nicht so gut wie wenn Du mit mir tauchst.
Das kannst Du voll vergessen, ich hab ja noch nicht mal Seepferdchen! Sag mal, wo bist Du eigentlich so rumgeschwommen bevor Du nach Kiel am Nil kamst?
Ich bin im Tierpark Neumünster geboren, da wohnten meine Eltern. Und von dort bin ich dann zu den Kieler Seehunden gekommen.
Warum heißt Ihr eigentlich Seehunde? Die Hunde in Kiel sehen doch ganz anders aus!
Jaja! Aber jetzt denk Dir mal ein paar Öhrchen an mich dran, dann seh ich auch ganz schön hunde-mäßig aus!
(An dieser Stelle habe ich mal lieber den Schnabel gehalten und Luna nicht verraten, dass sie ja auch Flossen hat statt Beine und Hunde wiederum haben ja Beine statt Flossen…)
Mein Kumpel Wampe mampft für ein Wasserschwein ganz schön viele Sachen, Berge von Pommes, zum Beispiel. Frisst Du auch so außergewöhnliches Essen?
Nee, igitt! Ich verschlinge nur Fisch. Meine Freunde, also die im Meer leben, die verspeisen auch mal nen Tintenfisch, aber nicht mit mir! Während der Kieler Woche versuchen immer mal wieder die Menschen mir ein Schnitzel anzudrehen, aber das schwimmt dann nur in meinem Becken rum, das mag ich gar nicht.
(Tintenfisch…? Wenn Krakauer das mitbekommt, würde er nie wieder in die Nähe des Seehundbecken gehen. Vielleicht sollte er sich dann besser verkleiden – als Schnitzel zum Beispiel!)
Ey Ruby, träumst Du?
Oh, nee, pardon! Sag mal, wie viel Fisch verdrückst Du so am Tag?
Ich bin ja noch recht klein, deswegen sind es nur so drei bis vier Kilo am Tag. Wenn ich größer bin können es bis zu sechs Kilo am Tag werden. Schau Dir mal Kielius an, den allerältesten und schwersten von uns, dann weißte was ich meine!
Hat Dir eigentlich schon mal eine Möwe Dein Essen stibitzt?
Ja, das passiert ab und zu. Wenn ich nicht schnell genug bin, kommen die Möwen und schnappen mir den Fisch vor der Nase weg. Dann bin ich richtig sauer!
Ich stand schon ganz oft vor Eurem Becken und habe euch ganz schön viel wichtigstes Zeugs erzählt – aber Ihr habt mir nie geantwortet! Sprecht Ihr nicht mit Fremden oder habt Ihr Sprechblasen oder sogar eine Geheimsprache?
Nö. Wir sprechen einfach sehr selten. Und dann sind das auch eher so Laute, also zum Beispiel dann, wenn wir uns gegenseitig ärgern oder nerven, aber sonst verständigen wir uns mit dem Körper. Das klappt super!
Warum schwimmt Ihr eigentlich so oft auf dem Rücken?
Wir schauen sehr gerne, was auf dem Boden passiert. So können wir am besten erkennen, was alles Schönes auf dem Grund liegt: in der freien Natur findet man mal nen Plattfisch oder ne Scholle. Hier sind es eher Blätter, kleine Steine oder Spielzeuge, die uns Nicole, Luca und Lea gegeben haben – also unsere Pfleger.
Hast Du eigentlich eine beste Freundin und was spielt Ihr am liebsten?
Ja klar, die Sally. Die ist ungefähr so alt wie ich und fast solange wie ich hier im Kieler Seehundbecken. Am aller liebsten spielen wir Fangen! Dann zwicken wir uns auch mal in die Flossen.
Gehst Du eigentlich zur Schule?
Ja, irgendwie schon. Letztens habe ich gelernt, mich zu drehen. Lea gibt mir ein Zeichen und dann drehe ich mich!
Frierst Du nicht, wenn Du so lange im Wasser bist oder trägst Du so ´nen Neoprenanzug wie die Surfer in Brasilien?
Naja. Ich habe von Natur aus einen Neoprenanzug an, ich habe nämlich ne fette Fettschicht, deswegen friere ich nicht. Die schützt mich vor der Kälte.
Aha! Apropos schützen, kann man eigentlich irgendwas Spezielles machen, damit die Ostsee oder besser auch alle anderen Meere sauberer werden?
Ja, das ist ganz einfach. Jeder kann das! Es darf einfach kein Müll im Meer landen. Vor allem alle Arten von Plastik, die schwimmen unendlich lange und noch länger im Meer herum und sind ziemlich gefährlich für meine Freunde.
Willst Du irgendwann Mal zurück ins Meer?
Mittlerweile mag ich meine Freunde hier im Kieler Aquarium so gerne, dass ich sie viel zu sehr vermissen würde. Außerdem, aber das darfst Du keinem verraten, weiß ich auch gar nicht so recht, wie man Fisch fängt. Klar würde ich mal ganz weit raus schwimmen, um zu gucken was so geht, aber da draußen lauern viele Gefahren. Ich habe zum Beispiel mal von diesen riesengroßen Schiffsrauben gehört…, ach weißt Du, ich bin hier ganz glücklich.
Wenn du Dir was von den vielen großen und kleinen Menschen wünschen könntest, die Tag für Tag an Deinem Becken stehen und Dich angucken – was wäre das?
Oh super! Dann wünsche ich mir, dass keine Münzen mehr ins Becken geworfen werden. Ich hab nämlich gar kein Geldbeutel und es gibt hier auch keine U-Bank. Außerdem glitzert Geld immer, dann will ich damit spielen und verschlucke mich. Nee, nee, nee – unser Becken ist echt mal kein Wunschbrunnen!
Ok! Danke für Deine Zeit, liebe Luna, Du kannst jetzt wieder abtauchen!
Super Ruby, ich wünsche Dir einen spitzenmäßigen Heimflug!
Kleine Geheiminformation: Bei dem Interview war übrigens auch Lea Jaster dabei. Die angehende Meeresbiologin ist beim Kieler Seehundbecken seit fünf Jahren die Seehundfrau für alles und kennt Luna super gut. Sie konnte mir das Seehundisch lupenrein übersetzen und ist auch auf einigen der Bilder zu sehen. Zum Beispiel beim morgendlichen Fördewasser-Check, beim Füttern und bei der Flossen-Kontrolle. Danke Lea!
GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Aquarium
Düsternbrooker Weg 20
24105 Kiel
www.aquarium-geomar.de
Öffnungszeiten
Ganzjährig von 9 bis 18 Uhr geöffnet,
außer an Heiligabend und Silvester.